„The Spanish Prisoner“ (1997) von David Mamet
Die Formel! Joe Ross hat sie entdeckt. Niedergeschrieben per Hand in sein Notizbuch, das er abends im Safe verstaut. Den Sicherheitsschlüssel hat er stets um den Hals. Was hinter dieser Formel steckt? Wir wissen es nicht. Jedenfalls bringt sie viel Geld und sichert die Märkte. Aber sie ist nur der Hitchcocksche McGuffin, der Antrieb für die Handlung in einem vertrackten Spiel. Bieder, höflich, ein wenig naiv ist dieser Joe Ross (Campbell Scott). Ein gewöhnlicher Angestellter in einer mysteriösen Firma. Das ideale Objekt für ein kleines bisschen Trickbetrug. Schon am Anfang wird er zum Tennis aufgefordert, und man darf das ruhig symbolisch verstehen: Wie die gelbe Filzkugel wird er bald der Spielball sein in einem undurchschaubaren Komplott – longline, cross und gestoppt.
Wie hypnotisiert wandelt er durch New York, ahnungslos, während sich ihm die Schlange, der trickreiche Gegner, langsam um den Hals legt und mit dem Zuziehen beginnt. Als er später seine schicke Brille mit dem geschmeidig dünnen Rand verliert, wird seine Sicht auch nicht schlechter: Der Durchblick hat ihm von Anfang an gefehlt. Irgendwann findet sich Ross in einer Hitchcock-Falle wieder: Er wird eines Verbrechens bezichtigt, dass er nicht begangen hat. Erst langsam, vielleicht schon zu spät, dämmert ihm, was schon Hamlet wusste: „Dass einer lächeln kann und immer lächeln und doch ein Schurke sein.“ Denn wer ist schon, was er scheint? Hinter der Fassade des Verführerischen lauert das Böse.
Wenn Lügen tatsächlich kurze Beine hätten – in diesem Film müssten einige Leute auf Händen gehen. Um Schwindler, Betrüger, Lügner geht es. Und so sanft, so unaufgeregt, so behände wird das erzählt. Man wähnt sich selbst in Sicherheit, und die verführerische Musik Carter Burwells ist das Wiegenlied zu dieser Geborgenheit. Doch der Regisseur David Mamet hat einen längst aufs Glatteis gelockt, wo er einen Tisch aufgestellt hat, über den man dann auch noch gezogen wird. Der Zuschauer weiß, mit ganz wenigen Ausnahmen, bis zum Schluss nicht mehr als Ross. Davon lebt das Spiel in diesem well-made film. Ein Schuft, wer mehr davon verrät.
Mamet ist einer der bekanntesten amerikanischen Gegenwartsdramatiker („Hanglage Meerblick“, „Oleanna“), hat Drehbücher geschrieben für Brian de Palma, Sidney Lumet, Bob Rafelson, Neil Jordan und Louis Malle. Zuletzt hat er für Barry Levinsons „Wag the Dog“ die amerikanische Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit entstellt – noch vor dem Medien-Trara um Bill und Monica. „Die unsichtbare Falle“ ist sein fünfter Film als Regisseur. Mamet setzt darin zwei Prinzipien um, die er in seinem Buch „Die Kunst der Filmregie“ beschrieben hat: „Wichtig ist die Geschichte einfach zu erzählen. Die Zuschauer sollen überrascht sein.“ Ökonomisches Erzählen und Zuschauerverblüffung – dafür ist „The Spanish Prisoner“ ein mustergültiges Beispiel. Neben Campbell Scott gehören noch Steve Martin, Ben Gazzara und Mamets Ehefrau Rebecca Pidgeon in die kinematographische Trickkiste. Dazu kommt Ricky Jay, den man aus früheren Mamet-Filmen kennt. Er ist in Amerika vor allem als Berufszauberer und Trickspieler bekannt.