Die Baiers sind eine allerliebste Familie: Die Eltern jagen sich auch nach dem dritten Kind noch kitzelnd durch die Wohnung, und das Alltagschaos scheint trotz Stress ein ziemlicher Spaß zu sein. Doch dann knallt eine Bombe im Berliner Friedrichshain – und sie reißt die Familie, man muss das so drastisch sagen, buchstäblich auseinander.
Vater Alex und Tochter Maxi überleben den Anschlag, aber natürlich ist danach alles anders. Die Täter, so viel erfährt man schnell, sind neurechte Identitäre, die mit ihrer Re/Generation-Ideologie für eine pervertierte Idee von Europa stehen. Einer ihrer Anführer ist der attraktive Karl, der die Tat geschickt islamistischen Terroristen unterschiebt. Doch damit nicht genug: Karl macht sich perfide an Maxi heran und verfolgt dabei einen noch diabolischeren Plan. An dessen Ende wird der Je Suis Charlie-Slogan – nach den Attentaten auf die Pariser Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 zu weltweiter Bekanntheit gelangt – als Je Suis Karl missbraucht sein.
Soweit die Ausgangslage. Und man spürt schnell: Hier ist aufklärerischer Wille am Werk. Das ist nie schlecht, muss aber auch erstmal gut gemacht sein. Hauptzielgruppe von Regisseur Christian Schwochow ist ein jugendliches Publikum, das im Film durch die Figur der Maxi besonders verführbar wirkt. Spoiler alert für alle Jugendlichen: Für sie wird der Film die eine oder andere Diskussion im Schulunterricht nach sich ziehen (ungewollt feine Ironie dabei: Schwochows letzter Film hieß „Deutschstunde“). Für die junge Generation hat der Regisseur Smartphone-Einstellungen von YouTuber*innen und Influencer*innen in Selfie-Pose eingeflochten. Trotz einer in manchen Szenen etwas aufdringlichen Handkamera sieht der Film mit seiner Kaltfarbenästhetik ansprechend aus. Auch eine wuchtige Konzertszene gibt es, in der die Protagonistinnen, die laut Re/Generation-Ideologie eigentlich vorwiegend zum Kindergebären dienen, sich wild gegenseitig küssen und auf Pille (jeglicher Art) so richtig die Sau rauslassen.
Nicht nur in dieser Szene aber stellt sich eine grundsätzliche Frage dieser gutgemeinten Aufklärung: Wie zeige ich, wie sich jemand ideologisch verführen lässt, ohne diese Ideologie selbst verführerisch leuchten zu lassen? Sagen wir es diplomatisch: Schwochow und sein Drehbuchautor Thomas Wendrich wissen der Gefahr nicht immer auszuweichen. Das liegt auch daran, dass sie sich darauf konzentrieren, wie Maxi langsam nach Rechts abdriftet. Worin ihre persönliche Verantwortung liegt und welche gesellschaftlichen und politischen Kosten ihr Flirt mit dem Rechtsradikalismus hat, bleibt allenfalls vage. Der Film begnügt sich mit Aussichten auf den Bürgerkrieg.
Und Maxis Radikalisierung beruht letztlich vor allem auf psychologischen Gründen: ihrem Trauma nach dem Anschlag und dem Verlust der Mutter als moralischem Kompass, die aufgefangenen werden durch Karls Charisma, Verführungskünste und offenbar nicht zu verachtenden Erotikfertigkeiten. Was gesamtgesellschaftlich falsch läuft, dazu fällt dem Film wenig ein. Auf den Schultern der jungen Schweizer Schauspielerin Luna Wedler liegt deshalb eine gewaltige Last, unter der sie manchmal zu ächzen beginnt. Und sollte man nicht prinzipiell stutzig werden, wenn eine Schauspielerin der Trauer ihrer Figuren dadurch Ausdruck verleiht, dass sie wütend Dinge durch die Gegend schleudert?
Was man dem Film zugutehalten muss: Nicht die rechtsradikalen Pöbler*innen und Schläger*innen, die Neonazis und Skinheads stehen im Zentrum—es sind die glatteren, vielleicht auch smarteren, jedenfalls besser gekleideten und hipperen Identitären. Schwochows Diagnose: Auch durch diese brandstiftenden Biederhipster ist Europa leicht entflammbar. Und dass Schwochow eigentlich ein handwerklich überzeugender Erzähler mit zeitgeschichtlichem Gespür ist, wissen wir nicht erst seit der Fernsehserie „Bad Banks“. Sein letztes Bild zeigt eine Gruppe von Menschen, die auf das Licht am Ende eines Tunnels zulaufen. Es gleicht dem Logo der „Wrist“-Bewebung, das im Film mehrfach zu sehen ist. Ein schillerndes Schlussbild — und anders als der Rest des Films offen für viele Deutungen.
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