„Ocean’s Thirteen“ (2007) von Steven Soderbergh
In einer Szene von Steven Soderberghs „Ocean’s Thirteen“ betritt der alte Ganove Reuben Tishkoff (Elliott Gould) seinen begehbaren Kleiderschrank. Dutzende von Jacketts hängen hier nach Farben aufgereiht. Anzüge und Krawatten verschiedenen Stils sind ausgebreitet. Reuben zieht eine der Schubladen auf, in der sich ein sehr extravagantes Hemd verbirgt. Liebevoll streichet er über das Teil, das modisch einer fernen Epoche angehört, als wollte er sagen: Du, mein gutes Stück, wirst mich heute schmücken.
So muss man sich auch den Regisseur Steven Soderbergh vorstellen, wenn es darum geht, einen neuen Film vorzubereiten. Soderbergh steigt dann hinab in den großen Fundus der Filmgeschichte, in dem die Klassiker in Vitrinen funkeln und die Genres in Glasschränken zur Schau gestellt sind. Soderbergh sieht sich um und greift dann ehrerbietig zu. Mal bedient er sich beim deutschen Expressionismus („Kafka“), mal bei Tarkowski („Solaris“). Zuletzt legte er seinem Film „The Good German“ das schwarzweiße Gewand der romantischen 40er-Jahre-Studioproduktionen um. Für die dritte Auflage der Abenteuer des schönen Danny Ocean (George Clooney) hat er sich nun die späten 60er und frühen 70er Jahre ausgesucht, mit ihrer Vorliebe für Splitscreens, wild zoomenden Kameras und Funk-Musik im „Shaft“-Stil. Es dürfte nicht zufällig die Zeit sein, als Steve McQueen in Betrügerfilmen wie „The Thomas Crown Affair“ oder „The Getaway“ der coolste aller Hollywood-Helden war.
Nachdem „Ocean’s Twelve“ einen Abstecher nach Europa wagte, kehren Danny und seine Betrüger-Buddies dorthin zurück, wo in „Ocean’s Eleven“ alles begann: nach Las Vegas. Es steht wieder einmal viel Geld auf dem Spiel, um genau zu sein: rund 750 Millionen Dollar. Aber auch dieses Mal geht es eigentlich um etwas viel wertvolleres, nämlich die persönliche Satisfaktion. Der egomanische Hotel- und Casinobesitzer mit dem sprechenden Namen Willie Bank (Al Pacino) hat Dannys Freund Reuben dermaßen übers Ohr gehauen, das diesem das Herz stehen geblieben sein muss. Jedenfalls liegt er jetzt im Koma. Und das gefällt Danny und seinen Freunden gar nicht. Vielleicht hätte sich Bank das Ganze besser zweimal überlegen sollen, denn jetzt hat er ein dreckiges Dutzend am Hals. Einer gegen alle? Alle für einen! Danny will Willie wehtun, wo es Männer gar nicht mögen: bei ihrer Großmannssucht. Gleichzeitig soll Reuben durch Rache reanimiert werden.
Da passt es, dass Bank gerade sein neuestes Hotel mit dem bescheidenen Namen „The Bank“ eröffnen will: ein verschraubter Wolkenkratzer am Strip, gegen den selbst das Sieben-Sterne-Domizil „Burj al Arab“ in Dubai wie eine verratzte Jugendherberge wirkt. Dieser ehrgeizige Kerl hat durch die Bank Geschmack. Keinen guten, klar. Aber immerhin: alles teuer und edel. Brille mit Goldrand, Fönfrisur, rosafarbene Hosenträger zum Hemd mit Lavendelstreifen. Wenn der Filialleiter der Kreissparkasse Wanne-Eickel zu Geld kommen würde – Willie Bank wäre seine Stil-Ikone. Al Pacino spielt dieses Großmaul als eine Art hochgetunte Version von Steve Wynn, dem Besitzer des „Bellagio“ und „Wynn Las Vegas“. Sehr amüsant.
Seit Tarantinos „Kill Bill“ wissen wir: „Revenge is a dish best served cold.“ Doch bei Danny Ocean und seinen Jungs wird Rache nicht kalt sondern cool serviert. Hier zuckt niemand mit der Wimper. Hier verzieht keiner seine Pokermiene. Hier wird die feine Männerhaut noch nicht einmal von einem Nanoliterchen Schweiß benetzt. Und das ausgerechnet in der brütenden Hitze von Nevada. Danny & Co.: Das ist Cool and the Gang. Nur einmal gibt es einen Moment, da sieht man Brad Pitt und George Clooney, wie sie voreinander ihre glasigen Augen zu verbergen versuchen: Eine Ausgabe der Oprah Winfrey Show hat sie emotional übermannt. Aber bei Oprah haben schon ganz andere ihre Kontrolle verloren, nicht wahr, Mr. Cruise?
Angesichts von soviel Lässigkeit ist es nur konsequent, dass auch der Film niemals in Hektik verfällt oder sich gar dazu bequemen würde, Suspense aufzubauen. „Ocean’s Thirteen“ rennt, rast, hetzt nicht – der Film schlendert, manchmal er schlurft sogar. Aber stört uns das? Film bedeutet bekanntlich, schöne Männer schöne Dinge tun zu lassen. Und was ist schöner als Brad Pitt und George Clooney beim Herumstehen in sündteuren Anzügen zu beobachten? Auch wenn Soderbergh seinen beiden Vorgängerfilmen nicht viel dazu gewinnt, genug kriegen kann man von seinen wortgewandten Elogen auf Kameraderie und Männerfreundschaft nicht. Das Einzige, was dabei fehlt, ist eine umwerfende Frau. „Ocean’s Thirteen“ bietet keinen Ersatz für Julia Roberts und Catherine Zeta-Jones, den beiden Diven von Teil 1 und 2. Natürlich, es gibt Ellen Barkin. Aber sie stakst als Willie Banks beflissen-devote Assistentin durch den Film wie eine verwitterte Daisy Duck. Eher undivenhaft, das.
Zugegeben: Es gibt spannendere Betrügerfilme. Jules Dassins „Rififi“ von 1955 wäre einer davon. Aber letztlich geht es in diesem charmanten Genre ohne eindeutigen Namen – heist film? caper movie? – vor allem um eins: Schadenfreude. Irgendeiner bekommt es immer mit diebischer Freude heimgezahlt; irgendjemand muss immer büßen für seinen demonstrativen Reichtum und seine Hybris. Als Zuschauer darf man sich genussvoll auf die Seite der Gauner schlagen und zusehen, wie mit höchster Raffinesse dem schmierigen Lokalmafioso, der global agierenden Corporation, ja dem kapitalistischen System an sich eine Schnippchen geschlagen wird. Voller Boshaftigkeit steuert dass Genre zielgerade auf seinen Höhepunkt zu: der Nahaufnahme eines fassungslosen Gesichtsausdrucks. Wer erinnert sich nicht gerne hämisch an Robert Shaw am Ende von „Der Clou“, nachdem ihn Robert Redford und Paul Newman über den Wetttisch gezogen haben? Auch in „Ocean’s Thirteen“ gibt es diesen glorreichen Moment. Auf das nonchalante Grinsen George Clooneys folgt ein Schnitt – zu sehen sind die entglittenen Züge seines puterroten Gegenübers. Der Kontrollverlust dieser zornverzerrten Fratze macht noch einmal schlaglichtartig klar, worauf es dem wahren Ganoven ankommt: die Macht der reinen Coolness.