Lady Vengeance (Park Chan-wook, 2005)

„Lady Vengeance“ (2005) von Park Chan-wook

Es gibt einen Vorwurf, den sich der Regisseur Park Chan-wook definitiv nicht gefallen zu lassen braucht: dass seine Filme zu wenig exaltiert seien. Mit grimmiger Entschlossenheit packt der Südkoreaner in jeden Film eine Fülle an Einfällen, die bei anderen Regisseuren für ein halbes Berufsleben reichen würde. Noch in der hinterletzten Einstellung spürt man den unbedingten Willen, visuelle oder erzählerische Kapriolen zu schlagen. Das ist häufig exzentrisch, meist interessant, oft originell. In seinem neuen Film „Lady Vengeance“ setzt dieser beharrliche Stilwille ein, noch bevor der Film richtig begonnen hat. Zur Titelsequenz tröpfelt rote Flüssigkeit auf strahlend weißen Hintergrund. Sie formt sich zu verschlungenen Kalligraphien und verläuft zu ornamentalen Gerinnseln. Man fragt sich: Ist es Blut oder nur schmückende Verzierung? Dabei geht es bei Park gar nicht um ein Entweder-Oder: Gewalt ist bei ihm immer schmuckes Beiwerk seiner makabren und extravaganten Geschichten. So war es in seinen Rachefilmen „Sympathy for Mr. Vengeance“ (2002) und „Oldboy“ (2003). So ist es in „Lady Vengeance“.

Vor der barocken Bühne der Musik Vivaldis und Paganinis entfaltet Park eine weitere Rache-Oper von bizarren Graden. Lee Geum-ja (Lee Young-ae) wird nach 13 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Einerseits ist sie eine zarte Frau mit reizendem Antlitz. Andererseits verbirgt sich hinter der hübschen Maske die Fratze einer kompromisslosen Rächerin, vor der selbst Tarantinos „Kill Bill“-Braut in die Knie gehen würde. Warum sie auf Rache sinnt, lassen wir aus Spannungserhaltungsgründen mal dahingestellt. Jedenfalls trifft Geum-ja beim Abarbeiten ihres Sühnekatalogs auf ein Kabinett an grotesken Figuren, in dem eine hexenartige Kampflesbe und ein wortlos seine Frau vergewaltigender Kinderschänder unangenehm herausstechen. Zimperlich sieht anders aus.

Wer Park kennt, weiß: Das alles spult sich keineswegs chronologisch ab. Vor allem am Anfang ist die Handlung zeitlich so zersplittert, als hätte er eine narrative Handgranate gezündet. Der Film hüpft zwischen den Zeitebenen hin und her wie ein aufgescheuchtes Rehkitz – weshalb es ungewöhnlich lange dauert, bis man in diesem Film einigermaßen zu Hause ist. Weil sich Park mit fortschreitender Dauer auch noch an seinen Gewaltexzessen zu delektieren beginnt, bricht über den Zuschauer in den 112 Minuten eine Lawine an Sinnesreizen und Affekten herein, die es erheblich erschweren, dem Film eine Aussage abzuringen. Weit hinten in den zerebralen Untiefen des Kritikergehirns mäandert die dumpfe Ahnung, dass Park etwas zum Thema Selbstjustiz beisteuern möchte. Doch dieses Gefühl kann täuschen. Darüber hinaus hilft es dem westlichen Betrachter nicht weiter, dass die Motive der Figuren oft im Nebel kultureller Fremdheit zu verschwimmen scheinen. Am Schlimmsten aber: Es gibt Momente, in denen der Film durchhängt. Und das ist dann doch ziemlich unerhört im seltsamen Universum des Park Chan-wook.

Mit „Lady Vengeance“ bringt Park seine Trilogie der Rache routiniert, aber ein wenig ermattet ins Ziel. Soll man beruhigt aufatmen? Abwarten. Vielleicht werden uns seine blutigen Feldzüge noch abgehen. Seine Exzentrik wird uns auf jeden Fall weiter begleiten. Einen ersten Hinweis darauf gibt der aparte Titel seines jüngsten Films, der demnächst im Wettbewerb der Berlinale zu sehen sein wird: „I’m a Cyborg, but that’s Okay”.

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