The Spider-Man’s Kiss
„Spider-Man“ von Sam Raimi (2002)
Side parting, horn-rimmed glasses, nerd face: Peter Parker (Tobey Maguire) is one of those sissies who like to be harassed and teased by the class zampano. He’s a nobody from a New York petty bourgeois home, the science freak in his high school class. Unfortunately he is also in love with the beautiful Mary Jane Watson (Kirsten Dunst), whom he will never get to anyway, because, quite rightly, she belongs to the class Zampano. It’s not going well for Peter Parker ─ until a genetically manipulated spider bites him and everything changes. The idiot mutates into a superhero! Like Superman, he’s an orphan. Like Batman, he decides to fight for justice after his closest relative was murdered. Like Robin, he’s a teenager who prevents adults from crime and steals babies from the flames. As an American heroe, he takes the law into his own hands, which makes him a relative of the Western heroes. A blue-red knight, always on the go: half rings-gymnast, half Tarzan, who shuffles through the urban jungle on his cobweb lianas.
The Green Goblin stands opposite him. He is the dark side of the manic scientist Norman Osborn (Willem Dafoe), whose morale is eaten up by ambition. A super rich man who neglects his son for success. A large industrialist who is tinkering with a military superhuman for the armaments industry. At the same time as Peter Parker, he too is undergoing a metamorphosis: while Parker becomes a true good, Osborn transforms himself into a true evil in a failed attempt at himself. While Peter Parker can choose between his two identities, Osborn is a subconsciously driven Jekyll & Hyde. Two victims of science. Two hermaphrodites. Two opponents.
„Spider-Man“ recorded more in the United States on the first weekend than a film before. He easily stormed to the top of the ten most successful films of all time after four weeks. How far will he go? The $ 139 million in production costs has long been recorded. It is currently at $ 333 million. Merchandising is on. And the countdown to “Spider-Man 2” is already ticking on the Internet: 700 days to go. But if the first part with 950 copies spills into German cinemas, one has to ask an uncomfortable question despite the overwhelming persuasiveness of the numbers: How can such a shockingly mediocre film mobilize such masses?
Erster Grund: Spider-Man ist im Reich der amerikanischen Pop-Mythologie ein Halbgott. Schon bald nachdem er im August 1962 seinen ersten Auftritt in einem Marvel-Heft hatte, stieg er zum Superstar unter den Comic-Helden der sechziger Jahre auf. Geboren aus dem optimistischen Geist der Kennedy-Ära und der pessimistischen Zeit des Kalten Krieges, vereinigte er zwei gegenläufige Gefühlslagen. Einerseits war er eine Personifikation des amerikanischen Liberalismus in einer Zeit als die traditionellen Werte erodierten und ein Garant der Sicherheit als die Bedrohung ständig wuchs. Gleichzeitig war er ein existenzialistischer Großstadtheld, der zerrissen mit seiner verantwortungsbeladenen Doppelidentität kämpfte. Spider-Man gilt seitdem als der menschlichste aller Superhelden. Ein Comic-Heroe aus der Nachbarschaft, eine Identifikationsfigur für die Massen. Bisher gab es nur billige Fernsehserien ─ eine Kinoversion war überfällig.
Ein zweiter Grund für den Erfolg ist in der langen, Publicity-reichen Vorgeschichte zu suchen. Seitdem Mitte der 80er Jahre erstmals etwas über das Projekt durchsickerte, wurde gemunkelt, geflüstert, geraunt. Der Film blieb im Gespräch, die Erwartungen stiegen, die Spannung wuchs. Ein halbes Dutzend Studios zankte sich um die Rechte an der Verfilmung. Columbia, MGM und Marvel gingen vor Gericht. Die Justizscharmützel zogen sich fast ein Jahrzehnt lang hin. Zu einer Einigung kam es erst im März 1999: Columbia und Marvel wurden zu Partnern, MGM war draußen. In der Zwischenzeit war James Cameron abgesprungen, von dem man immer wieder gehört hatte, er arbeite bereits an „Spider-Man“. Im Januar 2001 begannen die Dreharbeiten ─ und sie waren vom Pech verfolgt. Ein Bühnenarbeiter wurde von einem umstürzenden Kran erschlagen; teure Kostüme wurden geklaut. Und dann kam auch noch der 11. September dazwischen. Die Trailer, in denen Spider-Man ein Netz zwischen die Türme des World Trade Centers spinnt, liefen schon in den amerikanischen Kinos, als es die beiden Hochhäuser plötzlich nicht mehr gab. Die Trailer wurden zurückgezogen; jede Spur der Twin Towers musste aus dem Film entfernt werden. All das hielt den Film im Gespräch. Die Spannung wurde immer größer.
Seitdem kann man „Spider-Man“ nicht mehr sehen, ohne an 9-11 zu denken. Und genau darin dürfte ein dritter Grund für seinen Erfolg liegen: die Populärkunst als Vademekum gegen das Trauma. Peter Parker ficht für die moralisch gerechte Sache einen manichäischen Kampf gegen das Böse. Er ist der maskierte Retter ohne Gesicht, der einer traumatisierten Stadt wieder Sicherheit verspricht. Sein Kontrahent, der Grüne Kobold, ist eine fliegende Bedrohung, die aus der Luft unschuldige Bürger terrorisiert. Einmal sprengt er Teile eines Hochhaus in die Luft. Ein andermal nimmt er Schulkinder als Geisel. „If you mess with one of us, you mess with all of us“, schreien die aufgebrachten New Yorker dem Feind entgegen. Am Ende weht über den Dächern New Yorks die amerikanische Flagge und Spider-Man kauert daneben als neue Skyline-Ikone: Die Leerstelle im Panorama ist wieder gefüllt.
„Spider-Man“ ist ein Kino des Spektakels , das auf einfache Reize setzt. Das reicht vom nassen T-Shirt und den langen Beinen von Kirsten Dunst bis zu einem Konzert-Mitschnitt von Macy Gray auf dem Times Square (nebenbei gesagt: eine Sängerin, die wie das Columbia-Studio zum Hause Sony gehört). Wenn der Film in Fahrt kommt, was zu selten geschieht, beginnt ein Fun-Ride in der Kinoachterbahn, die mit Hochgeschwindigkeit durch die Straßen des Themenparks New York rast. Wie ein Squashball fliegt die Kamera dann mit Spider-Man zwischen den Hochhausfassaden hin und her. Und Regisseur Sam Raimi kann wieder einmal sein Auge für amerikanische Landschaften und geographische Räume unter Beweis stellen. Was in „Ein einfacher Plan“ das schneeverwehte Minnesota und in „Die Gabe“ die mysteriöse Old-South-Kleinstadt in Georgia waren, sind hier die Schluchten des Hochhaus-Gebirges von Manhattan. Abgründe tun sich auf; von Brückengeländern und Häuserdächern führt der Blick in schwindelerregende Tiefen. Und einmal stürzt Spider-Man mit Mary Jane im Arm von der Balustrade eines Wolkenkratzers und kurz bevor die beiden am Boden aufschlagen, katapultiert eine elastische Spinnwebe die beiden wieder in die Luft zurück. Bungee-Jumping im Herzen New Yorks. Der Film ist zur einen Hälfte für cineastische Extremsportler gedacht.
Die andere Hälfte greift ans Herz der eher gefühligen Wesen im Publikum. Anders als die „Batman“-Filme von Tim Burton oder Warren Beattys „Dick Tracy“, setzt „Spider-Man“ nicht auf Stil und visuelle Opulenz, sondern verlässt sich auf die „Titanic“-Formel der romantischen Action. Das erweitert den Kreis der Zuschauer erheblich, hat aber den Nachteil, dass der Look des Films beliebig wirkt, die Spannung immer wieder gedämpft wird und sich der Film bisweilen auf das Niveau einer High-School-Soap begibt: Junge liebt Mädchen, das nichts davon ahnt. Bis Mary Jane Watson schließlich weiß what’s on, dauert es eine ganze Weile. Ab dann aber leidet sie, was selten ist für eine Frau, an einer ausgeprägten Form der Arachnophilie.
At the end of his initiation story, Peter Parker receives the long-awaited kiss from his spider woman. It will be his last. Because while Bruce Wayne, Batman’s alter ego, can give free rein to his sexuality as a rich playboy, chaste Peter Parker will in future sublimate his libido for justice. An ascetic vow for the good of New York. A decision for life.