The Terminal (Steven Spielberg, 2004)

Endstation Amerika

„The Terminal“ von Steven Spielberg (2004)

 

Dieser Film gleicht einem jener Fußballspiele, in der eine Mannschaft anfangs wie wild auf ein Tor spielt und sich dabei traumhafte Chancen erarbeitet. Am Ende verliert sie, weil sie keine der Möglichkeiten genutzt und sich stattdessen noch vor der Pause tief in die eigene Hälfte zurückgezogen hat. Verließe man Steven Spielbergs „Terminal“ nach etwa 30 Minuten, man könnte dem Eindruck erliegen, dem Beginn eines großen Spiels beigewohnt zu haben. Doch was sich danach abspielt, ist filmischer Catenaccio der ängstlichsten Sorte.

Zu Beginn glaubt man sich hineinversetzt in die dunklen Theoriewelten des italienischen Philosophen Giorgio Agamben. Wie ein „Homo Sacer“ wirkt die Hauptfigur Viktor Navorski (Tom Hanks): ein Mann im rechtlichen Ausnahmezustand. Am New Yorker Flughafen angekommen, erfährt er, dass seine Papiere nichts mehr gelten. Ein Staatsstreich hat stattgefunden in seiner osteuropäischen Heimat. Navorski macht eine merkwürdige Grenzerfahrung. Er kommt weder rein noch raus. Er findet sich eingeklemmt in einer Nische des Rechts, ist hinabgestürzt in einen Abgrund des Gesetzes. Seine einzige Möglichkeit: frei bewegen in der Flughafen-Zwischenwelt. Doch dort lauern die tausend Augen der Sicherheitskameras. Und hinter den Bildschirmen wartet der Große Bruder Frank Dixon (Stanley Tucci), ein ehrgeiziger Flughafen-Bürokrat mit übergroßer Brille für den besseren Überwachungsblick. Navorskis Endstation: das Terminal.

Dieses Terminal nutzt Spielberg für kurze Zeit zu einer Satire auf den Wahnwitz der Einkaufspassagen. Als Navorski verblüfft fragt, was er denn jetzt tun solle, blafft der Flughafenbürokrat zurück: „Shopping!“ Man hätte sich diese Geschichte als Konsum-Kritik vorstellen können, von einem der wahnsinnig wird in der Welt der nutzlosen Güter. Und Spielberg gibt einem anfangs auch hier Anlass zu größten Hoffnungen, weil sogar das product placement seinen Sinn ergibt. Groß prangt der Name des Buchhandelsriesen „Borders“ im Terminal ― ein Wort, das auch für jene Grenzen steht, an denen Navorski scheitert. Später schlägt der Film zeitweise um in eine populistische Komödie im Frank-Capra-Stil. Vom einfachen Tor, der sich gegen die große Machtmaschine durchsetzt und sich in der Enge des Flughafens seine Freiheit erkämpft. Dabei glücken Spielberg eine Reihe von überzeugenden Einstellungen. Einmal fährt die Kamera aus einer Nahaufnahme Navorskis zurück und enthüllt ihn als einsamen Mensch in der Masse, als stammte er geradewegs aus King Vidors Stummfilmklassiker „The Crowd“. Ein andermal dreht sich die fidele Steadycam von Janusz Kaminski mehrfach um den verwirrten Navorski, für den die Welt in der Fremde ins Schlingern gerät. Tom Hanks, der mit starkem slawischen Akzent spielt, macht dabei eine sehr überzeugend Figur. Ohne ihn wäre der Film wohl nicht zu ertragen.

Denn was sich ab der, sagen wir, 30. Spielminute offenbart, ist Spielbergs Angst vor der eigenen Courage. Er entscheidet sich einerseits für eine romantic comedy ― die ihm aber ebenso wenig romantisch wie komödiantisch gerät. Nichts knistert zwischen Catherine Zeta-Jones’ wunderschöner Flugbegleiterin und dem verlumpten Tom Hanks. Andererseits biegt er seinen Film hin zu einer Feier der Glückseligkeit unter den Underdogs. Navorski findet Freunde unter dem Flughafenarbeitern aller Länder: den mexikanischen Kofferträgern und indischen Bodenschrubbern. Aber die kunterbunte Multikultigeschichte aus der Transitwelt des Flughafens hat schon bei Veit Helmers „Tor zum Himmel“ nicht funktioniert. Insofern kommt es für den Zuschauer einer Erlösung gleich, als es Navorski nach über zwei Stunden so geht wie E.T., einem der anderen großen Naiven bei Spielberg: Er darf wieder nach Hause. Vielleicht hätte er da von Anfang an bleiben sollen?

 

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