Intolerable Cruelty (Joel & Ethan Coen, 2003)

“Intolerable Cruelty” (2003) by Joel & Ethan Coen

Herrgott noch mal! Als hätte das Mannsbild nicht schon mit sich selbst genug Probleme gehabt, musste ihm sein Erfinder auch noch eine Rippe entreißen und daraus eine verführerische „Männin“ formen, wie Martin Luther sie genannt hat. Damit war natürlich klar, dass es Ärger geben würde, drüben im Paradies. Mann und Frau? Ein göttlicher Fehler. Einerseits.

Andererseits: Gäbe es diese giftige Kombination nicht, wären Leute wie Miles Massey, der windigste, geschmeidigste, zähnebleckendste Scheidungsanwalt östlich der Pazifikküste, ohne Job. Und das schöne Genre der Screwball Comedy gäbe es, vermuten wir, ebenfalls nicht. In diesem Genre, zu dem unsterbliche Filme gehören wie „Es geschah in einer Nacht“ (1934), „Leoparden küsst man nicht (1938) und „Sein Mädchen für besondere Fälle“ (1940), geht es nämlich nur um eines: Mann und Frau zusammenzubringen, gegen alle widrigen Umstände. Das verbindet die Screwball Comedy mit dem Melodram. Doch wo das Melodram einen emotionalen Dauerregen auf seine Figuren niederprasseln lässt, spielt die Screwball Comedy mit der Exzentrik seiner Charaktere: Eine vorlaute, emanzipierte Dame und ein leicht derangierter Kerl hauen sich Dialoge um die Ohren, als wären es windelweich geprügelte Squashbälle. Howard Hawks soll von seinen Darstellern 240 Wörter pro Minute verlangt haben.

Die Gebrüder Coen ― seit Jahren auf einem archäologischen Adventure-Trip durch die Vergangenheit des Klassischen Hollywoodkinos ― sind nach dem Gangsterfilm („Miller’s Crossing), der Frank-Capra-Komödie („Hudsucker“) und dem Film Noir („The Man Who Wasn’t There“) bei ihren Ausgrabungen nun auf die Screwball Comedy gestoßen. Dem Genre entsprechend halten sie sich mit visuellen Spielereien zurück. Zu den Ausnahmen gehören der Vorspann in Kitschpostkarten-Ästhetik mit einer Armee raffaelesker Amoren und Putti und ein Blick über Los Angeles, wie man ihn seit Michael Manns „Heat“ nicht mehr gesehen hat. Dafür füttern die Coens ihre Charakteraffen mit tonnenweise Zucker. Was uns zurück zu Miles Massey bringt.

Dieser Mann, von George Clooney in urkomischer Cary-Grant-Nachfolge gespielt, ist ein Meister der Selbstdarstellung: gestriegelt, seitengescheitelt und verbal geschliffen. Eine vor Gericht zugelassene Wunderwaffe im ehelichen Rosenkrieg. Ein Dauergewinner. Und deshalb: ein Gelangweilter. Seine Vorbilder sind wahre Machos wie Attila, der Hunnenkönig oder Heinrich VIII. (dessen Umgang mit Frauen man allerdings als kopflos bezeichnen muss ― aber das ist eine andere Geschichte). Dieser Mann ist die perfekte Verkörperung seiner Zeit: Scheidungen sind zum Gähnen normal geworden. Neue Herausforderungen müssen her.

Deshalb: Auftritt Marilyn (Catherine Zeta-Jones), deren Bindestrich-Nachname aufgrund ihrer vielen, sehr durchkalkulierten Ehen den Rahmen dieser Kritik sprengen würde. Mit spitzen Lippen, süffisantem Blick und Gießkannen voller Krokodilstränen wickelt sie Miles Massey langsam um ihren kleinen Finger. Und Edith Piaf singt dazu „Je ne regrette rien“. Jede Szene ein neues Glamourkostüm, jede Einstellung ein neues Glitzern in den Augen: Catherine Zeta-Jones ist derzeit die einzige Frau in Hollywood, der man vor 60 Jahren eine große Divenrolle angeboten hätte.

Marilyn und Miles Massey sind das Traumpaar der stabreimenden Coen-Brüder (die anderen alliierten Alliterierten heißen: Rex Rexroth, Sarah Sorkin, Marva Munson und Donovan Donaly). Zwischen den beiden brennt die Luft. Doch dem Genre entsprechend ist auch das Nebenpersonal von erlesener Exzentrik: ein langhaariger Fernsehproduzent aus Downunder (Geoffrey Rush), den seine Frau ein „australisches Stück Scheiße“ zu nennen beliebt; ein texanischer Ölmanager (Billy Bob Thornton), dessen Verbaldiarrhö so quälend ist, dass er von George Clooney im emergency room behandelt gehört; ein tuntiger Schweizer Baron, ein schwarzer Privatdetektiv mit Vorliebe für Ärsche; ein Scheidungsanwalt, der bei Hochzeiten zu Tränen gerührt ist… Hinzu kommt die beliebte Boshaftigkeit aus dem Hause Coen, die sich nicht selten auf das Gebiet des Zynismus vorwagt. Dazu gehören die Karikaturen der knallblonden Silikonluder von Beverly Hills, die in ihrer gemeinen Satire an Evelyn Waughs „Tod in Hollywood“ erinnern. Oder eine Szene im Stil von Frank Capra, in der Miles Massey vor der „National Organization of Matrimonial Attorneys, Nationwide“ (NOMAN!) eine Rede über die Kraft der Liebe hält, die alle hartgesottenen Scheidungsanwälte zu Jubelstürmen hinreißt ― und man doch nie das Gefühl loswird, das alles sei nur in ironisierenden Anführungsstrichen gesagt.

Ganz zum Schluss noch ein kurzer Hinweis an alle Asthmatiker: Bitte nie das Lungenspray gemeinsam mit einer Knarre benutzen ― die Verwechslungsgefahr ist groß und der Schuss könnte nach hinten los gehen.

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