„Joint Security Area“ (2000) von Park Chan-wook
Der 38. Breitengrad: ein schmaler Grat. Hier Süd, da Nord. Hier Kapitalismus, da Kommunismus. Ein rasiermesserscharfer Schnitt zerteilt das Land Korea. Um die Grenze ist eine gemeinsame Sicherheitszone zur Abfederung der aufeinanderprallenden Militärmächte gezogen: die „Joint Security Area“. Dieser Landstrich ist ein weites Feld ─ und das hochexplosive Paradox einer entmilitarisierten Zone voller Waffen. Hier kann ein bisschen Zündeln schnell zwei Länder mit einem Flächenbrand überziehen.
Es ist zwei Uhr nachts. An der Grenze bricht Unruhe aus. Schüsse krachen. Ein nordkoreanischer Soldat ist tot, ein Südkoreaner schleppt sich verwundet davon. Wieder einmal scheinen die beiden Länder am Feuerzeug herumzufingern. Was tun, bevor’s brennt? Aus der neutralen Schweiz reist die Majorin Sophie Lang (Lee Yeong-Aeh) an, um die verhedderte Diplomatie zu entwirren. Eine kluge Frau zwischen soldatischen Betonköpfen. Sie beginnt mit dem Verhör: Wer lügt, wer trügt? Wo versteckt sich die Wahrheit? Hier Version Süd, da Nord. Verwirrung auf der ganzen Demarkationslinie, sozusagen. Das ist der erste Teil. Sehr ernst. Sehr spannend. „Rashomon“ auf Koreanisch.
Der zweite Teil ist witzig. Aberwitzig. Eine Grenzkomödie. Eine Art „Eins, Zwei, Drei“ am eisernen Vorhang Koreas. Und ein Film, der in eine Stadt wie Berlin besonders gut passt (wo er schon im vergangnen Jahr im Wettbewerb der Berlinale lief). Der Film blendet zurück und zeigt, wie es durch die persönliche Annäherung einiger unterrangiger Soldaten zu dem Zwischenfall kam. Dabei benutzt Regisseur Park Chan-wook ein sehr einfaches und sehr einleuchtendes Bild der politischen Entspannungsstrategie. Der Soldat Lee (Lee Byung-Hun) dringt in die Sicherheitszone ein und steigt prompt auf eine Tretmine. Jeder Schritt könnte jetzt ein falscher sein, jede Bewegung wäre tödlich. Ein aussichtslose Lage, bis zufällig die beiden Genossen Oh (Song Kang-Ho) und Jung (Shin Ha-Kyun) aus Nordkorea erscheinen und den Zünder entfernen. Ganz richtig: Erst wenn einer auf den anderen zu geht und die Gefahr entschärft, ist wieder Bewegung möglich ─ was Park Chan-wook natürlich auch auf die beiden Staaten bezieht.
Die Soldaten werden Freunde. Ganz heimlich. Der Kalte Krieg wird zwischenmenschlich angewärmt. Aus Langeweile wagen sich die Grenzposten einfach mal über die berüchtigte „Brücke ohne Wiederkehr“ ─ und kehren doch zurück. Eine private Sonnenschein-Politik lugt hinter den Wolken hervor. „Nach all dem ‚Genosse, Genosse’ ist es schön, von dir ‚Bruder’ genannt zu werden“, sagt Jung. Der Film schleicht sich hier sehr behände vom Komischen an die Grenze des Sentimentalen heran, allerdings ohne Grenzverletzung. Und während der amerikanischen Schutzmacht immer wieder frech die Zunge herausstreckt wird, betrachtet der Film den „Schurkenstaat“ Nordkorea sehr offen und freundlich. Der riesige Erfolg in seiner Heimat lässt die Sehnsucht der Koreaner nach Entspannung erahnen.
Im letzten der drei Filmkapitel ─ die mit den Worten „Area“, „Security“ und „Joint“ überschrieben sind ─ erleben wir das Ende einer wunderbaren Freundschaft. Denn natürlich können die beiden Soldaten Lee und Oh nicht die Aufgaben von Staatspräsident Kim Dae Jung und des Großen Führers Kim Jong Il schultern. Regisseur Park Chan-wook ist viel zu klug, um zu behaupten, im Privaten läge die Lösung für das Politische. „Letzlich bleiben wir Feinde“, sagt Lee. Es ist, als schöbe sich wieder dunkles Ideologie-Gewölk vor den Sonnenschein. Und was eigentlich in jener Nacht vorgefallen ist, schert die Verantwortlichen recht wenig. „Der Friede wird bewahrt, indem man die Wahrheit verschweigt“, sagt einer der neutralen Diplomaten. Auf einmal wendet der Film, in einem letzten Stimmungswandel, seine Tonlage ins Fatalistisch-Melancholische. Und auch das gelingt.