Kill Bill Vol. 2 (Quentin Tarantino, 2004)

“Kill Bill Vol. 2” (2004) by Quentin Tarantino

Das ist also das Ende dieser virtuosen, ultrabrutalen, infantilen, fußfetischistischen, obercoolen, frauenfeindlichen, durchironisierten Rachesaga. Die geschändete Braut (Uma Thurman) hat ihre Todesliste Kandidat für Kandidat abgearbeitet. Das Leben von Budd (Michael Madsen), Elle Driver (Daryl Hannah) und Bill (David Carradine) ist gewissenhaft abgehakt. Der Abspann läuft. Und die erste Frage, die sich aufdrängt, lautet: Ja und?

„Kill Bill Vol. 2“, die 189 Tage später nachgereichte Fortsetzung von „Kill Bill Vol. 1“, ist eine Enttäuschung. Nachdem man aus dem erstem Teil mit einem cliffhanger im Stil der täglichen Seifenopern entlassen und das Ende der Rache vertagt wurde, spult Regisseur Quentin Tarantino, 41, jetzt seine zweite Filmrolle gnadenlos ab. Vor sechs Monaten war man unbefriedigt aber mit dem Gefühl nach Hause gegangen, dass „Vol. 2“ alles beantworten würde; dass Hoffnung bestand für den unfertigen Film; dass sich die beiden Einzelteile des mit dem kraftvollen Hieb eines Samuraischwertes in der Mitte auseinandergehackten Films zu einem Meisterwerk zusammensetzen würde. Doch: ach!

Zurückblickend wird der erste Teil gleichzeitig auf- und abgewertet. Aufgewertet, weil er deutlich besser ist als der zweite Teil. Abgewertet, weil seine vielen Versprechen nicht eingelöst werden. Ein Beispiel für die verschenkten Möglichkeiten ist das Thema der Hybridität: Tarantino legt im ersten Teil großen Wert darauf, das sich die Kontrahentinnen durch ihre ethnische Mischung von Uma Thurmans weißer Braut abheben. Lucy Lius Figur beispielsweise ist eine japanisch-chinesische Amerikanerin. Dieses Hervorheben der Hybridität findet sich auch auf der ästhetischen Ebene, wenn Tarantino eine japanische Anime-Sequenz mit Italowestern-Musik zu einem postmodernen Mischprodukt verschmilzt. Im zweiten Teil? Verläuft diese Spur im Nichts.

Zugleich folgt nichts Neues. Die im ersten Teil ins Rollen gebrachte Handlung wird auf den zuvor ausgelegten Schienen auf dem Umweg von mehreren Rückblenden sicher und solide, aber ohne Handlungsüberraschung nach Hause gebracht. „Vol. 2“ rollt im Vergleich nur ein wenig lustloser, langsamer und langatmiger (er dauert fast eine halbe Stunde länger). Tatsächlich verschoben wird nur die Gewichtung zweier Hauptmerkmale des Tarantino-Universums: die Gewalt und der eloquente Drehbuchtext. Diese Verschiebung allerdings ist auffällig.

„A bit of the old ultraviolence“ ― das war, um es mit Stanley Kubricks „A Clockwork Orange“ zu sagen, der Schwerpunkt des ersten Teils. Allerdings war schon hier die moralisierende Gewalt-Debatte mancher Filmkritiker verfehlt. Denn anders als Mel Gibsons „Die Passion Christi“, in dem Realitätseffekte und Empathiestrategien dominieren, zeichnet sich das Tarantino-Kino seit jeher durch radikale Ästhetisierung, Ironisierung und Zitatlastigkeit von Gewalt aus. Als würde er damit drei distanzierende Objektive vor den Kamerasucher klemmen, wird das Gemetzel in erträgliche Ferne gerückt. Im zweiten Teil wirkt die Debatte noch unangebrachter, denn „Vol. 2“ bleibt vergleichsweise harmlos. Natürlich gibt es auch hier Szenen, in denen eine Frau der anderen ein Auge ausrupft, es auf den Boden fallen lässt, drauftritt und das Glibberzeug durch die Zehen quellen lässt; Szenen, in denen jemand bei lebendigem Leib begraben wird und sich aus dem Sarg zu befreien versucht ― während die Leinwand über eine Minute lang schwarz bleibt.

Doch diese Gewalteruptionen halten nicht annähernd so lange vor wie die verbalen Ausbrüche: Im zweiten Teil dominiert weniger die Brutalität als die große Rede, der manische Monolog, das großspurige Aufsagen der berühmten Tarantino-Sätze. Bevor die Figuren zur finalen Tat schreiten, setzen sie an zu popkulturellen Totenreden: mit Anspielungen von „Wer wird Millionär?“ bis „Natural Born Killers“ ― womit natürlich Oliver Stones Film gemeint ist, für den Tarantino einst die Idee geliefert hat. Was in „Reservoir Dogs“ (1992) Madonna-Songs und in „Pulp Fiction“ (1994) Royal mit Käse waren, mündet nun in die Mythologie von Superman. Uma Thurman, Daryl Hannah, Bill Madsen und der von den totgesagten wiedererstandene David Carradine machen das, wie man es von ihnen erwarten darf: supercool. Sie sind die beredten Handlanger eines Anführungsstriche-Kinos und Du-weißt-schon-Filmemachens. Das Problem dabei: Die aufgesagten Texte sind weniger witzig und geschliffen wie einst. Oder ist man mittlerweile einfach nur dieses verbalen In-Pose-Werfens überdrüssig? Nervt es als ein Ausdruck des heiligen Unernstes mit der Tarantino die reale Welt auf Distanz hält ? Um sich einzig der von ihm heißgeliebten Filmgeschichte zuwenden zu können, die von Truffaut über Sergio Leone bis zu den Shaw Brothers reicht? Mit „Kill Bill“ beschreitet der Zuschauer den Spiegelsaal des Kinos, in der das Kino bis ins Unendliche immer nur das Kino reflektiert. Insofern ist „Kill Bill“ auch ein Rückfall hinter die Menschlichkeit von „Jackie Brown“ (1997).

Natürlich ist der Film stilistisch hochelegant. Das liegt nicht zuletzt an Tarantinos Zitierwahn und Referenzmanie, mit denen er gekonnt großes Kino nachspielt. Wie ein Kleinkind im Sandkasten baut er seine intertextuelle Sandburg und türmt eine Referenzschicht über der anderen. Oft geht dieses Spiel allerdings nicht über ein mehr oder weniger subtiles Kitzeln des Connaisseurlachens hinaus ― ein hohles Lachen, das immer ein wenig hysterisch klingt, damit jeder im Kinosaal versteht, das man selbst verstanden hat . Haha, hier zitiert er die „Karate Kid“-Filme der 80er Jahre, die selbst auf frühere Kung-Fu-Filme zurückgreifen. Ui, lustig, ist das nicht eine Anspielung auf das Ende von John Fords „The Searchers“? Und, wow, der Anfang, das ist natürlich klassischer Film Noir: in schwarz-weiß, mit altmodischer Rückprojektion und einer blonden Frau am Steuer eines Oldtimers. In schlechten Momenten ― wie der Zombie-Szene à la George Romero ― führt das zu einem Humorniveau, das über die „Scary Movie“-Reihe nicht hinausgeht: Die cineastische Verneigung schlägt in billige Gagparodie um.

Am Ende leistet sich der Film beinahe eine melodramatische Trautes-Heim-Glück-allein-Seligkeit. Aber eben nur beinahe. Denn Quentin würde nicht Tarantino heißen, verbreitete er nicht auch hier das Gefühl: Hey Mann, das gehört doch alles zu meiner augenzwinkernden Aura des Unernsten, you know?

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