Tom ist toll: Er sieht gut aus, hat tiefblaue Bradley-Cooper-Augen, einen niedlichen britischen Akzent und exzellente Manieren. Nach dem Aufstehen steht schon das Sekt-Frühstück bereit, abends flackern Kerzen an der Rosen-umflorten Badewanne. Und er beherrscht sogar den Konjunktiv im Deutschen perfekt. Ist er nicht ein Traum?
Alma sieht das anders. Die Berliner Wissenschaftlerin, seit einiger Zeit wieder single, findet Typen wie Tom total nervig: Auch wenn er äusserlich der Perfektion nahekommt, sieht sie in ihm vor allem eine Kitschmaschine. Und mal ehrlich: Wem würden Feel-Good-Kerle, die «Alles klärchen?» sagen, nicht die Laune verderben? Doch um Forschungsgelder genehmigt zu bekommen, lässt sich Alma auf ein Experiment ein: Sie wird drei Wochen mit Tom verbringen und am Ende einen wissenschaftlichen Bericht über ihn verfassen. Einen Bericht? Nun, Tom ist zwar ein gewandter Tänzer, aber statt Rhythmus hat er ausschliesslich Algorithmus im Blut. Sein Name klingt nicht nur wie die Hälfte eines bekannten Navigationssystems — er ist tatsächlich maschinengesteuert: Alma ist echt, Tom aber ist ein Roboter.
So sieht sie aus, die Grundkonstellation von Maria Schraders Komödie Ich bin dein Mensch, die im sonnigen Berlin-Mitte der Gegenwart Themen der nahen Zukunft in Angriff nimmt. Wie zuletzt Her, Ex Machina oder Blade Runner 2049 kleiden Schrader und ihr Co-Drehbuchautor Jan Schomburg uralte Themen in neues Gewand. Dass Alma am Pergamonmuseum forscht, ist sicher kein Zufall in einem Film, der entschlossen den Pygmalion-Galatea-Mythos umdreht.
Von Kameramann Benedict Neuenfels in helle, manchmal leicht überbelichtete, gelegentlich auch mit Weichzeichner verfremdete Bilder getaucht, wirft der Film Fragen auf über menschliche Perfektion, die Welt als Wille und Vorstellung, Narzissmus, Hedonismus und Utilitarismus. Und: Muss unser Verhalten immer nutzenfokussiert sein? Auch hierzu haben sich die Drehbuch-Autor*innen etwas einfallen lassen: Alma arbeitet nämlich mit ihrer Forscher*innen-Gruppe an einem Aufsatz, in dem sie zeigen wollen, dass Lyrik und Metapher viel früher in der Welt waren und Poesie schon lange mit dem dominanten zweckorientierten Zugang zur Welt konkurriert hat.
Manches daran ist albern, vieles pointiert, nicht weniges sofort anschliessbar an das, was uns im Jahr 2021 umtreibt. Schliesslich leben wir in Zeiten von Parship, Elite Partner und anderen Algorithmus-betriebenen Vermittlungsagenturen, die das Verlangen nach dem astreinen Gegenüber zu stillen versprechen; in Zeiten von Amazon, Alibaba und anderen Online-Versandhäusern, die das Prinzip des Belohnungsaufschubs untergraben und sofortige Wunschbefriedigung verheissen; in Zeiten von Macbook-Laptops und Samsung-Galaxy-Telefonen, die uns ein Nachdenken über unsere symbiotische Verschmelzung mit Objekten abverlangen.
Nicht zuletzt Maren Eggert, die auf der Berlinale für ihre Darstellung der Alma als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde, und Dan Stevens als Tom erleichtern den Zugang zu diesen Fragen erheblich.
Der Clou: Tom, die seelenlose Kreatur, entwickelt sich durch maschinelles Lernen langsam zu einem menschelnden Wesen mit Ecken und Kanten. Und da wird’s dann spannend: Wollen wir einer künstlichen Intelligenz, die uns bis aufs Haar gleicht, das Menschlich-Sein absprechen? Und was macht es mit uns, wenn wir dauerhaft von Mensch-Maschinen umgeben sind? Ich bin dein Mensch weicht einer Antwort am Ende etwas unentschlossen aus. Die Konventionsmaschinerie der romantischen Komödie behält – leicht automatenhaft – die Oberhand.
https://www.filmbulletin.ch/full/filmkritik/2021-7-1_ich-bin-dein-mensch-maria-schrader-kritik/