„New Rose Hotel“ (1998) von Abel Ferrara
Sie sind Headhunter. Sie sind auf der Suche nach den Forschergenies der Zeit. Fox (Christopher Walken) und X (Willem Dafoe) arbeiten als Spione, die sich für Geld und Action in die Geschäft der großen Biotechnologie-Konzerne mischen. Ja, es herrscht das Zeitalter der Globalisierung. Sie verbringen ihr Leben zwischen Hotelzimmern, Konferenzräumen und infernalischen, düster wabernden Nachtclubs. Immer unterwegs, immer auf dem Sprung zwischen Japan, Deutschland und Marokko. Es ist die große, weite Welt. Und doch ist hier alles eng und gleichartig und beschränkt, weshalb die Einstellungen konsequenterweise so nah an die Objekte herangerückt sind, daß sie kaum Orientierung erlauben. Die Agenten funktionieren als perfekte Allegorien der Flexibilität – überall zu Hause und nirgends. Sie vögeln mit Edelnutten, weil Beziehungen ein Anachronimus sind. Frauen sind nur Objekte der Begierde. Dabei stiert die Kamera oft mit männlichem Blick, der zwischen Liebessehnsucht und lechzender Lüsternheit oszilliert. Sie saugt sich fest an schönen Frauen, als wollte sie nuckeln an den vollen Brüsten und Lippen, am flachen Bauch von Asia Argento alias Sandii.
Doch der Mann ohne Namen, X, macht einen Fehler: Er versucht Halt zu finden im Laufrad der globalisierten Welt. Er versucht sich festzuklammern am altmodischsten aller Gefühle: der Liebe. Dabei vernarrt er sich in Sandii, der schönen Hure, die als Verführungsköder dient für einen japanischen Spitzenforscher. Eine Globalisierungs-Falle, denn Liebe macht blind. Sie ziemt sich nicht für den flexiblen Menschen. So wird der Angler selbst zur Beute.
Genau, eine tragische Liebesgeschichte, das. Mit Moral. Aber das ist auch nur die eine Seite dieses Films, die konventionelle. Abel Ferrara hat fast immer der stringenten großen Erzählung und dem Hollywool-Plot mißtraut. Statt dessen wühlt er sich hinein in die Gefühlszustände seiner Antihelden und läßt ihr Bewußtsein strömen. Das kann er so gut wie kaum ein anderer heutzutage. In seinem jüngstem Film „New Rose Hotel“, der auf einer frühen Geschichte von William Gibson basiert, bekommen wir wichtige Handlungsteile nie zu sehen, weil Ferrara sie im Off versteckt. Und der letzte Teil besteht nur noch aus Gedankenbruchstücken und Erinnerungsfetzen. X liegt im New Rose Hotel, einer Ansammlung von sargartigen Schlupfwinkeln, und wird von Reminiszenzen gemartert. Der Film ist hinübergeglitten in ein Delirium der Erinnerung und zeigt uns nur noch diesen Schmerzensrausch des Vergangenen.