Stepmom (1998) von Chris Columbus
„Du bist die fleischgewordene Mutter Erde.“ Isabel (Julia Roberts) zu Jackie (Susan Sarandon).
Isabel: jung, schön, erfolgreich im Beruf. Eine Modefotografin, die mit ihrem neuen Partner Luke (Ed Harris) verliebt in einem mondänen New Yorker Loft lebt; bisweilen muß sie sich um Lukes Kinder aus erster Ehe kümmern. Wir sehen Isabel bei Fotoaufnahmen im Studio und im Central Park, wo sie die Kinder vernachlässigt. Was ihr im Beruf gelingt, hat sie zu Hause nicht: Erfolg. Die Stiefmutter der 90er Jahre.
Jackie: nicht mehr ganz so jung, auch schön, erfolgreich im Haushalt. Eine Mutter und Hausfrau, die mit Tochter und Sohn auf einem pittoresken Landsitz nahe New York wohnt, von Luke geschieden. Bevor sie sich der Kindererziehung widmete, war sie beim renommierten Random House-Verlag beschäftigt (der Film war vor der Bertelsmann-Übernahme abgedreht). Aber was sie im Beruf nicht hat, gelingt ihr zu Hause: Erfolg. Die Mutter aller Mütter.
Zwei Frauen. Zwei Lebensentwürfe. Einer wird gewinnen. Welcher?
Eines Tages erfährt Jackie, daß sie einen unheilbaren Tumor hat. Sie muß nun der verachteten Isabel vertrauen, denn es geht um die Zukunft ihrer Kinder. Während die Frauen langsam ein neues Verhältnis entwickeln, vernachlässigt Isabel ihren Job. „Sie müssen eine Entscheidung treffen“, sagt Isabels Boss irgendwann. Und sie entscheidet sich: gegen den Beruf, für die Stiefkinder.
Der populäre Film ist ohne das Melodram nicht denkbar. Deshalb wäre es sinnlos, gegen die Strickmuster des Genres anzureden. Die Maßlosigkeit der Gefühle, die schweren Schicksalsschläge, die Verharmlosung der realen Welt, der Appell an Herzblut statt Verstand, die Überbetonung durch Musik – das alles hat „Stepmom“ in einem Maß, daß man daran zu ersticken droht. Wo der Regisseur Chris Columbus („Mrs.Doubtfire“) die Grenzen zum Kitsch überschreitet, mag jeder für sich selbst entscheiden. Viel penetranter ist das erzkonservative Bild, das er den Frauen am Ende des 20.Jahrhunderts entgegenhält. Ein Bild, zu dem sich die Herren Starr, Gingrich und Bush jr. wohlig im Kinosessel räkeln dürfen.
Cult of domesticity nennen die Amerikaner das enge Korsett der Frau als Hüterin von Heim und Herd. Karriere und Beruf bleiben Männersache. Isabel, das abtrünnige Weib, das sich ins Reich des Mannes gewagt hatte, wird folglich nach zwei Kinostunden sicher in den Hafen der Familie gelotst. Frau zu sein bedarf es wenig, nur wer mom ist, ist ein König? Am selben Tag sah ich Thomas Vinterbergs erschütternden Dogma-Film „Das Fest“.
Zwei Familienfilme. Zwei Kinoentwürfe. Einer wird gewinnen. Welcher?
Auch wenn er auf Kosten von Julia Roberts geht – es gibt einen witzigen Dialog in diesem Film. „Ich finde Isabel schön.“ Sagt der Sohn. „Ja, wenn man auf Breitmaulfrösche steht.“ Antwortet Jackie, die Mutter. Ansonsten gehört „Seite an Seite“, so der deutsche Verleihtitel, schon jetzt zu den schlechtesten Filmen des Jahres. Soviel Heuchelei und Verlogenheit – man sollte ein Impeachment-Verfahren eröffnen.